Mr. Boycott
Mr. Boycott

Mr. Boycott

Allgemeines

Heute steht der Boykott allgemein für eine Verrufserklärung oder Ächtung durch Ausdruck einer kollektiven Verweigerungshaltung. Der wirtschaftliche Boykott dient insbesondere der Ausschaltung von Konkurrenz; der soziale Boykott als Druckmittel von Interessensgruppen (etwa im Arbeitskampf). Der politische Boykott ist überwiegend ein staatliches Sanktionsmittel gegenüber anderen Staaten. Nach Gene Sharp bilden Boykotte eine Untergruppe innerhalb der 198 Aktionsformen der Gewaltfreien Aktion.

Etymologie

Das Wort Boykott geht auf Charles Cunningham Boycott zurück, einen in Irland lebenden englischen Grundstücksverwalter. Während des Land Wars nach 1870 rief der irische Nationalistenführer Charles Stewart Parnell seine Landsleute zum gewaltlosen Widerstand auf. Infolge der 1880 von Parnell und der Irischen Landliga organisierten Aktion fand Boycott keine Pächter mehr, er wurde „boykottiert“. Dieser erste erfolgreiche Boykott gab allen anderen den Namen.

Geschichte

Einige Beispiele historischer Boykottaktionen in chronologischer Reihenfolge:

  • Im deutschen Mittelalter die so genannte „Verhansung“, das heißt der Ausschluss einer Stadt aus der Hanse.
  • Der Quäker Benjamin Lay aus Pennsylvania, USA boykottierte jegliche Waren, die durch Sklavenarbeit entstanden und mied Gastgeber, die Sklaven hielten. 1758 konnte er nach einem Vierteljahrhundert beharrlicher Agitation und individueller Boykott-Praxis einen Meilenstein im Kampf gegen die Sklaverei setzen: Die Quäker Philadelphias ächteten die Sklavenhaltung.
  • Der US-amerikanische Boykott britischer Waren während der amerikanischen Revolution.
  • Der indische Boykott von Waren, die teilweise unter dem Handelsmonopol der Briten standen, organisiert von Gandhi („Kampagne der Nichtkooperation“ 1920–1922).
  • Die Anti-Defamation League organisierte 1927 in den USA einen erfolgreichen Boykott gegen die Ford Motor Company,[4] weil deren Besitzer Henry Ford die wöchentliche Zeitung The Dearborn Independent finanzierte und über Ford-Vertragshändler landesweit in hoher Auflage vertrieb. Das Blatt hatte ab 1920 regelmäßig antisemitische Hetzartikel verbreitet, die als Broschüre Der internationale Jude auch ihren Weg nach Deutschland fanden. Am Boykott beteiligten sich nicht nur jüdische, liberale christliche und konfessionslose Konsumenten, sondern auch Ladeninhaber, die sich weigerten, Waren aus Ford-Lieferwagen entgegenzunehmen. Angesichts massiver Umsatzeinbußen leistete der Firmenpatriarch 1929 Abbitte und entschuldigte sich öffentlich.[5]
  • Der von den Nationalsozialisten 1933 initiierte Boykott jüdischer Geschäfte in Deutschland, genannt Judenboykott.
  • Der arabische Boykott Israels und von Unternehmen, die mit Israel handeln, dauerte von 1948 bis Ende der 1990er Jahre
  • Die während der US-Bürgerrechtsbewegung durch Afroamerikaner durchgeführten Bus-Boykotte.
  • Das US-amerikanische Embargo von Kuba – siehe Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten.
  • Der S-Bahn-Boykott 1961 war eine Protestmaßnahme West-Berlins gegen den Bau der Berliner Mauer.
  • Die Boykott-Aktionen gegen Nahverkehrs- Betriebe in vielen deutschen Städten, die sich von 1966 bis 1971 im Zuge der Rote-Punkt-Aktionen gegen Fahrpreiserhöhungen richteten[6][7]
  • Die 1975 von der schweizerischen Gewaltfreien Aktion Kaiseraugst entwickelten und ab 1977 in Deutschland aufgegriffenen Stromrechnungsstreiks[8], d. h. die Verweigerung der Zahlung eines bestimmten Teils der Stromrechnung, als Widerstandsaktion gegen den Bau von Atomkraftwerken durch die Stromerzeuger.[9]
  • Der Früchteboykott von Verbrauchern, um auf die (damalige) Apartheid in Südafrika aufmerksam zu machen. Er war in Europa und insbesondere in Deutschland in den 1980er Jahren populär und wurde von der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland sowie der Anti-Apartheid-Bewegung ausgerufen.[10]
  • Der Volkszählungsboykott 1987.
  • Weltweit boykottierten 1995 zahlreiche Verbraucher den Ölkonzern Shell, indem sie nicht bei Shell tankten („Konsumentenboykott“ = Käuferstreik). Sie reagierten damit auf die von Shell angekündigte Entsorgung des schwimmenden Öltanks Brent Spar. Nach einer etwa 100-tägigen von Greenpeace initiierten Medienkampagne lenkte Shell ein und begann mit der Entsorgung der Brent Spar an Land.
  • Die transnationale antisemitische Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions setzt sich seit 2005 dafür ein, dass Israel die Besetzung der Palästinensergebiete beendet und palästinensische Flüchtlinge ein Rückkehrrecht erhalten.
  • Die Strom[anbieter]wechsel-Kampagne Atomausstieg selber machen 2006 bis 2015.[11][12]
  • 2011 drohte die EU dem Iran damit, kein Öl mehr bei ihm zu kaufen („EU-Embargo“); im Januar beschloss die EU Wirtschaftssanktionen. Wenige Tage später drohte der Iran der EU mit einem sofortigen Lieferboykott.[13]
  • Im Rahmen einer „Bankenwechselkampagne“ rufen Nichtregierungsorganisationen wie die Deutsche UmwelthilfeUrgewald oder Attac seit 2010 zur Abkehr von Banken auf, die ihr Geld z. b. in Kohle-, Rüstungs- oder Atomindustrie investieren.[14][15]
  • 2019 haben einige Biosupermarktketten (u. a. Alnatura, Bio Company, Bio Mare und Denn’s) die Produkte der Spreewälder Hirsemühle aus dem Sortiment genommen, da deren Chef bei der AfD aktiv ist und sich die AfD mit der Leugnung der menschengemachten globalen Erwärmung gegen mehrere wichtige Kriterien für Nachhaltigkeit positioniert hat.
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